Erfahrungen in einem Wiener Krankenhaus 2007

Er lag auf der Seite und starrte auf seine Hand, hinter der Hand die Gittermaschen hoch entlang der Stange nach oben, nach unten und um ihn herum. Überall waren die Maschen des Gitterbettes. Eine Bekannte von ihm hatte gesagt, sie hätte die Gittermaschen aufgeknöpft, als sie im Gitterbett lag. Er versuchte es gleich gar nicht. Für ihn gab es kein Entrinnen, keine Hoffnung, keine Aussicht. Die Augen folgten der Aussichtslosigkeit und kreisten ständig um ihn herum. Plötzlich hielt er inne und das Problem um ihn war wieder da. Es war unlösbar, groß, überdimensional und undurchdringbar.

Bei der Aufnahme hat er gesagt:“ Es gibt keinen nachvollziehbaren, gerechtfertigten Grund für meine Anwesenheit hier.“ Nachvollziehbar, gerechtfertigten Grund hatte er gesagt, weil er glaubte sonst nicht verstanden zu werden. Normalerweise hätte er nur gesagt:“ Es gibt keinen Grund für meine Anwesenheit hier.“ Der Arzt sagte: „Sie haben einen Wahn, weil sie behaupten, es gäbe keinen Grund für ihre Anwesenheit, wo sie mit der Polizei gekommen sind.“

Weiter wurde nichts besprochen. Josef verlangte den Polizeibericht, der Arzt verweigerte diesen. Es bestand kein Interesse an seiner Erklärung, da der Arzt sich bereits eine Meinung gebildet hatte. Man hörte ihm nicht zu. Da war eine undurchdringliche Mauer zwischen ihm und den Ärzten. Das war das unlösbare Problem. Der Arzt erkundigte sich nicht. Er ließ ihn auflaufen. Seine Meinung war in Wirklichkeit eine Vermutung, doch durch die Allmacht des Arztes, wurde es eine unumstößliche Tatsache. Seine Mutter hatte ihn ständig auflaufen lassen. Er war wieder ganz klein und die Tatsache unveränderlich groß. Er zog sich auf seine Eigenwelt zurück. Hinter dem Abgrund, der offen lag, war alles möglich. Als ob die Phantasie keine Schranken kannte, nichts undenkbar war, was ihm unterstellt wurde. Er war alleine, isoliert der Ärzteschaft ausgesetzt, wie beim Angriff als Kleinkind auf ihn von hinten.

Ein ganzes Rudel von Ärzten stürzte sich auf ihn. Der Securityman gab das Zeichen dazu. Er wartete nicht mehr, versuchte seinen Arm zu greifen. Immer drehten sie einem zuerst den Arm auf den Rücken, so hoch, dass es wehtat. Alle hatten schon darauf gewartet. Ein Überfall auf einen wehrlosen, passiven Mann. Der Arzt würgte seinen Patienten, als er dagegen protestierte, schon auf dem Bett liegend. Das hatte psychologische Gründe. Man wollte ihm die Stimme nehmen. Durch die Hose stachen sie ihm die Spritze in den Po. Josef wurde im Gitterbett schutzfixiert. Von der Spritze schlief er bereits ein. Es hatte keinen Zweck aus Protest gehen zu wollen. Das war in der Abteilung von Prof. K nicht möglich.

Sie hatten ihm die Kleider abgenommen und in einen Kasten gesperrt, In seine Tasche geschaut, das Geld abgenommen. Wie war es möglich, dass man festgehalten wurde, weil man in einen Zug eingestiegen ist, der noch nicht abfahrbereit war. Es kam doch öfters vor, dass jemand unabsichtlich in einer U- Bahn sitzen blieb, während der Zug in die Remise fuhr. Was war das Problem dabei? Man konnte doch jederzeit aussteigen. Er kam sich vor wie jemand, den man eingesperrt hat, weil er bei Rot über die Kreuzung ging.

Das musste er jetzt erst einmal verarbeiten. Er legte sich auf den Arm, durch den er jetzt wieder blickte. Füße und Arme abgewinkelt, der Rücken gekrümmt, Kopf auf der Brust. Die Gedanken hatten ihn aufgeregt. Jetzt konnte er nicht mehr daran denken. Es war zu viel. Die Welt um ihn war abgestorben. Das Interesse davon abgezogen. Alles war verstellt, wie der Arm seinen Blick verstellte. Der Blick ging ins Unendliche. Die Zeit setzte aus, im Bauch ein leichtes Unlustgefühl. So verharrte er ewig.

Danach, ich weiß nicht welches Geräusch ihn wieder auf die Welt zurückgebracht hatte, wurde ihm folgender Kreislauf bewusst. Der Ausgangspunkt war, dass ihm durch die Krankheit Rechte genommen wurden. Da die Ärzte nichts zu befürchten hatten, wenn ihre Urteile nicht stimmten, ergab sich eine Willkür daraus. Waren einem einmal die Rechte genommen wie bei einem Sachwalter und war man als Krank abgestempelt, führte die Willkür unweigerlich dazu, dass Ereignisse wie seines stattfanden. Jeder Aufenthalt auf der Klinik, wurde gegen ihn verbucht. Das bedeutete, er kam nicht mehr aus der Sachwalterschaft heraus. Hatte sich einmal eine Anzahl von Ereignissen durch die Brille der Ärzte ergeben, konnten diese durch Beweise nicht wieder aufgehoben werden, weil sich zu viel angesammelt hatte. Beweise gegen Diagnosen gibt es grundsätzlich nicht wirklich. Das Urteil eines Arztes konnte durch jemand, der nicht Arzt war, nicht angetastet werden. Sachverständige gehen immer von anderen Sachverständigen aus, auch wenn die Diagnosen sich nicht begründen, bleibt immer etwas zurück. Was konnte er dagegen tun?

Ihm fiel wieder ein, wie der Mann nach dem Rucksack gegriffen und diesen durch die Türe des Zuges auf den Bahnsteig geschmissen hatte. Das war nicht normal gewesen. Josef dachte der Zugführer sei verrückt. Der Zugführer hatte nur aussteigen gesagt. Auch davor als er das erste Mal eingetreten war hatte er nur beiläufig im vorbei gehen aussteigen gesagt. Dann war er wieder in der hinteren Türe verschwunden. Josef hatte ihn nicht ernst genommen, weil der Zug auf Bahnsteig eins nach seiner Meinung nur von einer Seite einfahren konnte, wie in eine Sackgasse. Er hatte noch nie gesehen, dass der Zug von der anderen Seite fahren konnte. Hinten war keine Lok angehängt. Der Zug war aber eingefahren. Deshalb dachte Josef, dass die Lok am vorderen Ende angehängt sein musste. Der Zug war 15 Min. vor Abfahrt eingefahren. Auf der automatischen Anschlagtafel am Bahnsteig, war der Zug bereits angekündigt. Normaler Weise hätte dort >>nicht einsteigen<< stehen müssen. Die Türen waren nicht verschlossen.

Der Angriff kam für Josef überraschend. Das Ausmaß der Aggression war verrückt. Bei einer Haiattacke schwimmt man besser nicht davon. Man muss sich der Gefahr stellen. Josef wollte nicht fliehen, er leistete Widerstand gegen den Wahnsinn, deshalb holte er den Rucksack zurück. Aber wer war der Mann? Der Mann war vorher in der hinteren Türe des letzten Waggons verschwunden. Er hatte keine Uniform an. Wenn die Lok vorne angehängt war, was tat er dann als Zugführer dort hinten?

Beim Blick aus dem Fenster, war der Bahnsteig leer. Auf einem Strommast wehte ein Plastik im Wind. Nichts ereignete sich. Hoffentlich war seine Kamera nicht kaputt. Die Wiedergabe funktionierte. Er schaute seine Bilder an. Eine Frau deutete jemanden etwas zu. Die Kamera war im Rucksack gewesen. Hoffentlich waren keine Risse in der Automatik entstanden. Oft soll durch einen Sturz die Kamera erst später kaputt gegangen sein. Da fuhr der Zug mit einem Ruck in die Richtung, von der Josef angenommen hatte, dass keine Züge fahren. Falls der Zug auf ein anderes Gleis verschoben wird, dachte Josef, könne er immer noch aussteigen. Der Zug fuhr über den Bahnsteig hinaus, hielt und fuhr wieder zurück. Es sah für Josef nicht so aus, als ob die Lok angehängt wurde. Was war aber dann geschehen? Wo der Zug auf kein anderes Gleis verschoben wurde, fragte sich Josef, was das Problem dabei war, dass er nicht ausgestiegen ist.

Am Bahnsteig füllte sich der Zug mit Gästen. Gleich darauf fuhr er ab. Josef wollte im Prater fotografieren gehen. Er stieg deshalb am Praterstern aus. Wie er zu der Türe geht, stehen weiter vorne vier Polizisten auf. Warum waren sie nicht zu ihm gekommen, um mit ihm zu sprechen? Rasch stiegen sie vor Josef aus. Bei der Türe fingen sie ihn ab. Jeder erfasste eine Extremität von ihm und sie trugen ihn auf die Polizeistation Praterstern. Keiner sprach mit ihm. Vor der Station luden sie ihn ab. Einer schlug mit dem Stock auf Josef ein. Dann gingen sie mit ihm ins Revier. Ein Polizist kam mit einem Glas Wasser auf ihn zu. Er schüttete es sorgsam und bedachtsam über seinen Kopf, sodass es von den Haaren abperlte und dass nichts anderes nass wurde. Das bewirkte, dass Josef sich aufrichtete. Nach einiger Zeit kam die Amtsärztin. Sie blickte von weitem auf Josef und verschwand dann wieder. Woher wusste die Polizei von der Krankheit von Josef, ohne dass sie Dokumente von ihm hatten. Denn Josef hatte seine Brieftasche bei sich. Im Rucksack waren keine Doku in ein Wiener Krankenhaus. Die Polizei hatte offenbar ein Interesse daran, dass Josef angehalten wurde. Wieso sonst schütteten sie ihm ein Glas ‚Wasser über den Kopf? Aus irgendeinem Grund mussten diese wohl annehmen, dass eine Einlieferung gerechtfertigt sei. Warum? Was hatte der Zugführer, oder wer immer das war gesagt? Ohne Polizeibericht konnte Josef darüber nichts sagen. Die Polizei redete nicht mit ihm, hatte aber die unumstößliche Meinung, dass er eingeliefert werden soll. Polizei und Ärzte ergänzten sich darin, dass jeder vom Urteil des anderen ausging. Keiner wusste in Wirklichkeit etwas, aber jeder spielte in die Hände des anderen.  Es war nur die Frage, woher die Polizei ihn kannte?

Es war ungerecht, was mit ihm geschah. Ohnmacht stieg auf und Rache brannte in ihm. Er war davon überwältigt und konnte nicht mehr denken. Die Gefühle blendeten seine Gedanken aus. Alles was um ihn geschah, oder worum es sich gelohnt hätte nachzudenken war ausgeblendet und unwichtig geworden.  Er lag auf seinem Bauch mit einem unguten Gefühl darin, in der Brust zog es, im Kopf die Verzweiflung. Die Augen hatte er geschlossen. So ausgeblendet lag er lange da. Immer nach innen gerichtet auf sein Gefühl, das nicht aufhörte zu brennen.

Nach 4 Tagen wurde Josef in das Zimmer des  Arztes, der die Aufnahme gemacht hat, gebracht. Er sagte, es sei nicht gerechtfertigt, dass er in das Krankenhaus gebracht wurde.

Dr. Pitsch (Namen von Ärzten sind natürlich erfunden) klammerte einen solchen Sachverhalt aus. Es war nicht möglich mit ihm darüber zu sprechen. Pitsch betrachtete Josef unabhängig davon, was er sagte. In Josef brannte es. Er wollte den Arzt provozieren. Ihm seine Meinung sagen, gegen  seine Einkerkerung protestieren. Doch er wusste, dass jede zur Wehr- Setzung bestraft wurde. Man durfte dem Arzt nicht die Meinung sagen, weil diese unabhängig zum Bezug des Arztverhaltens, als Symptom der Krankheit dokumentiert wurde. Wenn das Gefühl in ihm aufbrauste, musste er vollkommen unbeteiligt daran wirken. Er musste das Gefühl unterdrücken. Aber da dieses ihn beherrschte,  konnte er es nur abschneiden, während es wirkte. Er musste anders denken als fühlen. Dabei war ihm ganz anders. Er konnte nicht anders, als etwas zu sagen. Das Gesagte sollte aber nicht verstanden werden. Es sollte nur für den verständlich sein, der auf ihn einstieg, auf seine Weise der Darstellung. Dadurch konnte er den Arzt kompromittieren, dass er ihn nicht verstand, denn er würde ihn auf Grund seiner Voraussetzungen nicht verstehen. Es war Josef etwas Schreckliches zu wissen, dass er unterlegen war, dass er nicht entkommen konnte. Doch vor seinem  inneren Bild, war er nicht unterlegen. Er hatte eine Würde, die man ihm nicht nehmen konnte. Er würde durch die Maschen des Gefängnisses gelangen, indem er alles mit sich geschehen ließe, nicht aufbegehrte. Er würde so zu sagen der Aufsicht seiner Unterdrücker entgleiten, weil es keinen Widerstand von ihm gäbe. Er konnte nicht fliehen, hatte Angst. Damit verhielt er sich genau wie ein Hase. Wenn ein Raubtier kam duckte sich ein Hase, statt weg zu rennen. Man sagte Angsthase, weil der Hase das ängstliche Tier par- exzellentes war, genauso wie ein Schwein dreckig, oder eine Schlange unehrlich war. Er wollte weg, nach Hause, in seine Wohnung. Es war wohl nicht zu leugnen, dass die Ärzte und Pfleger zu ihm aggressiv waren. Das bewirkte bei ihm einen Rückzug. Er ging ganz in sich und formulierte den ihm eigenen Sinn nach seiner Logik.

Er sagte: „Ich bin ein Hase und komme in meinen Hasenbau, indem ich mich klein machen kann. Es ist schädlich Traumata anzusammeln, da sie eine Summe negativer Energien mit sich bringen.

Die Aussage fuhr blitzartig in Dr. Pitsch ein. Sie war für ihn so ungeheuer und bizarr, dass er sie am liebsten gleich dem Oberarzt Dr. Patsch mitgeteilt hätte. Ein Lächeln kam über seine Lippen. Er notierte: Der Patient gibt an in einem Hasenbau zu wohnen. Um dorthin zu kommen, mache er sich klein. Dies sei eine wahnhafte und unrealistische Annahme, da man sich nicht klein machen könne und ein Mensch kein Hase sei. Er hätte wahrscheinlich eine Röntgenaufnahme gemacht um zu beweisen, dass jemand, der dies behaupte, nicht sein Herz verloren haben könne, oder jemand der abgebrüht sei sich nicht verbrannt hat. Für ihn gab es nur eine wörtliche Bedeutung von Dingen. Er überführte Patienten des Wahns, der Katatonie und des Stupors. Josef war dadurch vollkommen zum Irren geworden. Es gab auf beiden Seiten keinen Weg zurück. Josef spielte diese Rolle, da er bei seinem Stolz blieb. Für ihn war Pitsch dumm, denn er war unfähig auf einen Menschen einzugehen. Er betrachtete und  beobachtete zwar alles, was Josef tat, aber so dass er das Leiden nicht wahrnahm, zumindest nicht den Grund dafür. Auf dieser Abteilung war man sich einig darüber, dass niemand daran Schuld war, in welchem Zustand Josef sich befand. Man ging davon aus, dass Josef einen schizophrenen Schub hatte. Ein solcher kam nicht durch eine äußere Ursache zustande, sondern von innen nach außen durch Vererbung. Über die Aufnahme hatte er geschrieben:

Beim Eintreffen des Patienten konnte kein Gespräch mit ihm geführt werden. Er war unkooperativ, gab keine Antworten, verweigerte jegliches Gespräch und versuchte die Station fluchtartig zu verlassen. Auf Grund des kataton, stuporösen Zustandsbildes und der dadurch gegebenen Selbstgefährdung, wurde mittels Personenverstärkung der Patient vierpunktfixiert und i. v. mediziniert, mittels 2 Ampullen Temesta a 2mg, sowie 2 Ampullen Haldol a 5mg und 3 Ampullen Gewacalm a 10mg. Der Patient wurde pulsoxymetrisch überwacht. Durch i. v. Medikation löste sich die innere Spannung und ein erstes einfach strukturiertes Gespräch wurde möglich. Angesprochen auf die Situation im Schnellbahnwagen hatte der Patient diesbezüglich keine Erinnerung.

Statt die Situation zu entspannen, indem man sich gegenseitig erklärte, wurde die Situation verschärft. Widerstand gegen einen Arzt war nicht erlaubt. Die Spannung, die sich daraus ergab, wurde mit Medikamenten gelöst. Daraus ergab sich eine überhöhte Dosis an Medikamenten. Diese bewirkten eine diffuse Auflösung von allem was wichtig erschien, auch vom Gefühl des Hasses, wenn er nicht akut war. Zusätzlich bewirkten die Medikamente, dass sich Josef nicht konzentrieren konnte. Bei ihm war durch das Gefühl der Ohnmacht und des Hasses die Konzentration von vornherein geringer, da die Gefühle ständig wirkten und etwas ausblendeten. Jetzt lösten die Medikamente den Grundspiegel an Ohnmacht und Hass auf. Josef wurde dadurch orientierungslos wie im Wunderland.  Das Gespräch fand in Vorbereitung auf die Erstanhörung statt. Man hatte gefunden, was man finden wollte.

Danach war Essenszeit. Josef durfte im Speisesaal Platz nehmen. Durch sein Trauma, das er erst vor kurzem aufgearbeitet hatte, hatte er ein Grausen vor allem, das ihn irgendwie an den Geschmack erinnerte. Aber auch das Aussehen von Dingen konnte ausreichen, dass ihm übel wurde. Das heimtückische daran war, dass er sich beim ersten Blick täuschen konnte. Von etwas, das er aß, bekam etwas erst nach dem er es aß die bewusste Bedeutung, die es hatte. Es wurde erst bewusst. Wenn er es vorher ansah und es wirken ließ, wusste er genau, ob er es essen konnte, oder nicht. Es konnte die Farbe ausreichen um ihn nachträglich an Erbrochenes zu erinnern oder an Kot. So konnte er Vanille Pudding oder Schokolade Pudding wegen seiner Farbe nicht essen. Bei bitteren Sachen wie Kaffee oder Bier, war es der Geschmack. Er hatte während seiner Studienzeit einmal einen Topfen mit einem leichten Stich geschluckt. Die Reaktion war phänomenal. Es würgte, grauste und reckte ihn noch lange nachdem er den Mund mit Wasser ausgespült hatte. Er hatte das Gefühl, er könne den Geschmack nicht mehr loswerden. Die weiße Farbe und die Konsistenz taten ihr Übriges. Damals hatte er formuliert: saurer Rahm und braune Butter seien das, wovor er sich grause. Er konnte aber nicht sagen, was er mit saurem Rahm meinte. Josef  schaute in den Topf. Er sah Nudeln in Rahmsoße. Es sah aus wie Erbrochenes. Das konnte er auf keinen Fall essen. Dann gab es noch Naturschnitzel. Wenn man sich das Schnitzel vorstellte, konnte man glauben, es möge gut aussehen. Aber wie sah die Soße aus? Es konnte sein, dass einen diese an Kot erinnerte. Dann war es aus. Deshalb wollte Josef wissen, wie  die Speise aussah. Der Pfleger sagte: „Setzen sie sich hin und sagen sie was sie wollen.“ „Das kann ich nicht“, sagte Josef. „ Wenn etwas so aussieht, wie das war in meinem Trauma, graust mir. Ich muss es sehen.“ „Schnitzel oder Prokoliauflauf?“ sagte der Pfleger. „Es kann mich nachher etwas grausen, was ich mir vorher nicht vorstellen kann. Ich muss es sehen, “ sagte Josef. „Nix da,“ der Pfleger. Daraufhin stürmte Josef aus dem Speisesaal. Der Pfleger meldete es dem Oberarzt. Dieser notierte, dass dies ein Widerstand auf Grund des psychotischen Zustandes sei.

Zur Verhandlung

Ein Arzt sagte gleich zu Anfang: „Es liegt eine schwere Form von Psychose vor. Der Patient hat Wahnvorstellungen. Josef: „ Die Überweisung der Amtsärztin ist ohne Gespräch mit mir erfolgt. Die Ärztin hatte nur kurz von weitem einen Blick auf mich geworfen. Für eine Überweisung ist ein Gespräch notwendig. Die Überweisung war daher nicht rechtmäßig, daher ist auch mein Aufenthalt hier auf der Station nicht rechtmäßig.“ Die Richterin zeigt, dass sie fortfahren will. Josef: „ Es liegt keine Selbstgefährdung vor, da es öfter vorkommt, dass jemand in einen Zug einsteigt, der dann verschoben wird. Es war ein Mann ungewöhnlich aggressiv. Er hat meinen Rucksack auf den Bahnsteig geschmissen, wo meine Kamera drinnen war, als ich im Zug saß. Der Mann kam im Zug von vorne, „sie sind sicher schon lange im Zug gesessen, oder wissen sie das nicht?“ und verschwand im letzten Waggon hinten in der Türe.“ Patientenanwalt: „Wer war der Mann?“ „Ich nehme an, der Zugführer. Er hatte keine Uniform an. Der Zug war 15 Min. vor Abfahrt eingefahren.“ Patientenanwalt: „ Also der Schaffner war es nicht?“ Josef: „ Er hatte keine Uniform an. Es liegt keine Selbstgefährdung vor. Dass ich den Rucksack wieder geholt habe und sitzen blieb, ist kein Grund – … .Der Mann war aggressiv… Richterin zeigt an, dass damit alles gesagt ist. Josef konnte nichts mehr erklären. Er hatte nicht richtig gesagt, was er sagen wollte. Aber es hätte ohnehin nichts genutzt. Es genügte, dass er eingestand sitzen geblieben zu sein. Ein psychologischer Grund dafür war überflüssig.

Danach wurde er wieder ins Gitterbett gebracht. Er war insgesamt etwa 2 Wochen darin. Ein Grund wie Fluchtgefahr war absurd. Zumal hätte es ein Armband gegeben, das Alarm verursachte, wenn man beim Eingang rausging. Josef war bewusst, dass er nicht weit kommen würde. Außerdem hätte er wo anders wohnen müssen, denn die Polizei wäre bestimmt in seine Wohnung gekommen. Dann hätte er sich auf der Straße rum treiben müssen. Er hatte nämlich niemanden zu dem er hätte gehen können.

Am Abend, wo er im Gitterbett lag, musste er aufs Klosett. Er läutete und derselbe Pfleger, wie der mit dem Essen erschien. Josef sagte, er müsse  pinkeln. Gleich darauf erschien er mit einer Harnflasche, die er ins Gitterbett gab. Er machte das Gitterbett zu und verschwand wieder. Josef kniete im Gitterbett. Er zog die Hose runter und versuchte die Harnflasche daran zu halten. Aber der Wulst von Hose und Unterhose verhinderte eine senkrechte Haltung der Harnflasche. Selbst wenn er versuchte beide Hosen möglichst zum Knie zu ziehen, war es nicht möglich die Flasche senkrecht genug zu halten. Außerdem war die leichte Hockhaltung mit den abgewinkelten Füßen hinderlich dabei zu pinkeln, weil man dazu das Gesäß weiter nach vorne recken musste. Ihm blieb nichts anders übrig, als Hose und Unterhose vollständig auszuziehen. Jetzt versuchte er aufrecht zu knien. Das ging jedoch nicht, weil er oben in der Höhe durch das Gitterbett beschränkt war. Er kippte dadurch nach vorne, das heißt: er musste sich mit einem Arm abstützen. So konnte er jedoch nicht seinen Penis in die Flasche einführen. Es war also unmöglich im Gitterbett befindlich in eine Harnflasche zu pinkeln. Schnell schlüpfte er wieder in seine Hose. Da kam der Pfleger zurück. „Man kann im Gitterbett nicht in eine Harnflasche pinkeln. Lass mich raus, damit ich die Füße runter hängen lassen kann!“ sagte Josef. Doch der Pfleger hörte nicht auf ihn. Er nahm die Harnflasche aus dem Bett, verschloss dieses und verschwand wieder. Josef blieb nichts anderes übrig, als auf der rechten Seite aus dem Bett zu pinkeln. Er stand in genügend großem Abstand zur Wand. Dabei machte er auf einer Seite das Bett etwas nass. Doch nicht so sehr, dass er im Feuchten schlafen hätte müssen.

Bei der Tablettenausgabe fragte Josef, welche Medikamente er bekommt. Dabei stellte sich heraus, dass er Haldol bekommt. Damit war er nicht einverstanden. „Das Medikament ist veraltet. Ich möchte ein atypisches Medikament der neuen Generation ohne Nebenwirkungen. Für Haldol braucht man extra ein Medikament gegen die Nebenwirkungen. Das möchte ich nicht. Man sollte so wenig Medikamente wie möglich einnehmen.“ Das hatte ihm eine Ärztin aus der Selbsthilfegruppe gesagt. Es gab für jedes Medikament ein anderes, das diesem entsprach. Warum sollte man diese Erkenntnis nicht anwenden? Er nahm jedoch Haldol ein, denn er dachte so schnell können keine Entscheidungen gefasst werden. Es müsse der Arzt erst davon erfahren. Der Oberarzt Dr. Patsch dachte nicht daran, etwas an seinen Medikamenten zu ändern. Ein Jahr darauf war Josef wieder auf der Klinik. Damals fiel Josef auf, dass er ständig Spritzen erhielt, wo er das Medikament genauso gut in oraler Form bekommen hätte können. Er wusste nicht welche Medikamente er als Spritze erhielt. Das zweite Medikament in Spritzenform war Cisordinol. Er erhielt diese gegen seine Aufmüpfigkeit. Beim nächsten Mal, als der Pfleger mit der Spritze kam, protestierte er dagegen. Er wolle die Medikamente in oraler Form nehmen, die Spritzenform lehne er ab. Daraufhin kam der Pfleger mit anderen Pflegern zusammen. Josef wehrte sich, doch sie gaben ihm die Spritze mit Gewalt. 2Pfleger überwältigten ihn. Einer stach die Spritze durch die Hose. Der Kampf regte ihn auf. Das Herz schlug wild. Er war erschöpft und blieb danach wie geohrfeigt liegen. Er wusste, dass eine Patientin extra dafür unterschreiben musste, dass sie Medikamente in Spritzenform erhielt. Da konnte etwas daran nicht stimmen. Von jetzt an wusste er nicht mehr wann und wo er überfallen wurde. Er konnte sich nie sicher sein, wo immer er war, dass die Pfleger nicht über ihn her fielen. Einmal  als er aus dem Zimmer ging, kamen die Pfleger auf ihn zu. Er dachte sie wollen ihm eine Spritze verabreichen. Sein Herz pochte. Er bekam Probleme mit dem Kreislauf. Daraufhin ging er in die Knie. Der Pfleger bückte sich. Er streckte ihm einen Löffel mit Honig und einer zermahlenen Tablette darin hin. Das machten die Pfleger, damit man die Tablette schlucken musste. Die ganze Aufregung war um sonst. Aber das konnte man eben nie wissen. Damit wurde der Überfall am Anfang seiner Behandlung vor einem Jahr zu der Regel. Die Behandlung war damit endgültig zu der eigentlichen Quelle der Krankheit geworden. Gewalt wurde regelmäßig angewendet. Sie erinnerte ihn an sein Trauma. Die Angst, die damit verbunden war, wurde abgerufen. Er erlebte wieder was er schon erlebt hatte, wie eine kleine Misshandlung. Deshalb raste sein Herz so schnell. Es führte ihn aus dem Zusammenhang, danach in einen Zustand der Abwesenheit. Es geschah mit ihm, dass er durch die Dinge durch schaute, nicht wahrnahm, was um ihn geschah. Er war wie aus der Welt, ein Astronaut in einem anderen Zusammenhang, der wirkte ohne dass man ihn benennen konnte.. Die Angst unvorbereitet angegriffen zu werden, war seine Grundangst. Sie war die Angst, die er beim Angriff seiner Mutter auf ihn von hinten erfahren hatte, nachdem Sie ihm den Kot in den Mund gestrichen hatte, den er abgab, weil seine Mutter geschrien, ja eigentlich geschimpft hatte, wo er geblendet wurde. Sie schlug seinen Kopf 3-mal auf den harten Grund. Jedes Mal wurde ihm schwarz vor den Augen. Beim 4-ten Schlag war er bewusstlos. Als er von den Schmerzen wieder zu sich kam, wurde ihm von der Heftigkeit dieser übel. Er übergab sich. Die Kotze musste er schlucken. Die Angst, dass man nichts gegen Aggression machen kann, war sein ständiger Begleiter gewesen, bis zur Aufarbeitung. Es gab keinen Grund bei einer irren Tat. Diese konnte jeder Zeit, jeden Moment eintreten. Es gab keine Sicherheit in seinem Leben, nichts worauf man bauen konnte, nichts worauf sich etwas aufbauen ließ. Ständige Angst für nichts Gerechtfertigtes. Wenn jemand schrie, war es als ob eine Bombe einschlug. Er saß vor dem Kühlschrank. Seine Mutter sagte: “Da kannst du jetzt ständig dagegen rennen, du wirst nicht das Geringste damit erreichen.“ Er war klein und sie war unglaublich groß vor ihm, wie sie dastand.

Dieses Jahr war nur Haldol das Problem. Ihm war noch nicht die Reichweite bekannt, die sich aus der Zuwendung zum Thema Tabletten ergibt. Er befand sich diffus aufgelöst irgendwo zwischen den Sternen, ohne Wissen über den Grund und die Ursache, warum das so ist. Es war immer so in der Abteilung von Prof. K. .Jetzt, da er nicht mehr im Gitterbett lag, hatte er einen Schlüssel zu seinem Kasten bekommen. Er wollte ihn aufsperren, doch das Schloss steckte. Da fiel ihm wieder ein, dass das schon früher so war, damals wegen derselben Sache. Ebenso beim selben Zug war er eingestiegen, beim Einfahren ins selbe Gleis. Er kam sich wie in einer Zeitschleife vor, in welcher er gefangen ist. Der Vorfall ist zu schrecklich für ihn, als dass er daran denken konnte. Alles was schrecklich ist, wurde ausgelöscht. Das ist eine Schutzfunktion des Gehirns. Im Grunde kennt das jeder, dass man sich an unliebsame Dinge nicht erinnert. Nur bei ihm war es stärker. Deshalb war es für ihn so, als ob es nie geschehen wäre. Deshalb flüchtete er nicht aus dem Zug. Dazu kommen noch die Medikamente, die Bewusstsein rauben. Jetzt in derselben Situation, wurde die verdrängte Erinnerung wieder bewusst.