Diagnose und Gesellschaft?
Man sieht es ja nicht gleich und solange es niemand weiß, geht es ja. Wenn man sich aber komisch verhält, dann sieht es anders aus. Wenn man z.B. zugibt, Stimmen zu hören, glauben die anderen man sei nicht ganz dicht.
Und die Diagnose selbst?
Das Schlimmste an der Schizophrenie ist, wenn Realität und Traum verschwimmen. Alpträume werden wahr. Man glaubt Geschichten oder Filme wären echt. So erlebt man Horrorfilme z.B. auf der Straße noch einmal. Um in der Früh aufzustehen und meine Ängste zu überwinden, brauche ich manchmal 30 Minuten. Früher war das leichter. Schwierig ist auch die eigene Verwirrtheit. Sorgen entstehen, oft reicht schon ein Blick eines Anderen. War dieser Blick böse gemeint? Dann weiß ich nicht, was real ist und was nicht. Ich glaube ich habe mich von der Realität entfernt, weil ich sie nicht aushalte. Manchmal mache ich mir auch Sorgen, dass meine Gutmütigkeit ausgenutzt wird.
Wie geht es Ihnen mit Mitmenschen?
Als ich alleine war, bevor ich betreut wurde, lag ich oft die ganze Zeit im Bett herum. Freunde sind wichtig. Auch wenn ich z.B. meinen Mitbewohner nicht immer verstehe, da er glaubt, von einer anderen Welt zu stammen. Da weiß ich oft nicht, was ich darauf sagen soll. Ängste, sogar Todesängste sind oft sehr stark. Manchmal kommt mir der Tod fast wie eine Erlösung vor. Auch Existenzängste sind darunter. In vielen Fällen kann ich sie mir nicht erklären. Ängste beinhalten so vieles. Sogar Angst vor dem Glücklichsein ist darunter, oder dass einem jemand alles kaputt macht. So hatte ich plötzlich Angst um meine Gitarre. Ein Freund hatte sie mir einmal gestohlen, da lernte ich aufzupassen. Schon als Zivildiener tat ich mir schwer mit meiner Chefin. Ihre dauernden Stimmungswechsel waren für mich kaum durchschaubar. Ich hatte wirklich Angst gebrochen zu werden. Ich fühlte mich oft, wie eingesperrt. Menschen gehören nicht eingesperrt.
Hatten Sie Psychiatrieerfahrungen?
Ich wurde einmal für 3 Monate zwangseingewiesen. Ich war schon mehrmals in der Psychiatrie. Gebracht hat es meistens nichts. Einmal hatte ich ein positives Erlebnis. Dort waren Pfleger, Ärzte und Zimmermitbewohner netter. Denn das wird oft vergessen, dass man einfach mitten in einer Krise mit irgendwelchen anderen nicht immer einfachen Personen das Zimmer teilt. Nette Leute im selben Zimmer können eine große Hilfe sein. Ein netter, lockerer Umgang ist wichtig. Zitate wie: „Wenn du das nicht machst, kommst du ins Netzbett“ sollten nicht sein. Oft sagte mir niemand, worauf sie eigentlich hinarbeiteten. Beruhigungspillen hier und ein wenig Maltherapie dort, zu Hause aber ist alles wie vorher. Mit manchen Ärzten redet man auch wie gegen eine Wand. Diagnose wird gestellt, man ist psychisch krank und fertig.